Ein Artikel von Amrei Jahn

Ina Laiadhi
Karriere? Ja. Familie? Auf jeden Fall. Führungsposition? Auch das. Aber nicht auf dem lupenreinen Weg, den Lebensläufe oft suggerieren wollen. Stattdessen wählten Sánchez und Laiadhi immer jede neue Chance, die sich gerade anbot – ganz ohne schlechtes Gewissen. Eine Einstellung, die vielen Frauen bis heute gesellschaftlich nicht vergönnt ist.
Zunächst absolvierte Laiadhi ein Lehramtstudium Spanisch-Französisch in Münster. Zusätzlich machte sie noch einen Master in Business Administration (MBA) in Brüssel. Anfang der 90er Jahre zog sie mit ihrer Familie nach Algerien. Dort hielt sie es aber nicht lange, sondern zog 1995 nach Barcelona, wo sie bis heute bei der Firma Brose beschäftigt ist. Dort ist sie zentral verantwortlich für die Kommunikation und die duale Ausbildung seit jetzt schon 27 Jahren. Nicht zu vergessen, ihr Ehrenamt als Vorstandsvorsitzende bei der fedaEDU German Business School in Barcelona. Mit anderen Worten: Ein Mammutprogramm an Verantwortung.

Kirsten Sánchez
Aufgewachsen in einem Elternhaus, in dem Unterstützung großgeschrieben wurde, galt ebenfalls für Sánchez immer das Prinzip, alle Chancen nutzen zu wollen. Auch ihr beruflicher Weg verlief zunächst alles andere als linear: Zunächst studierte sie Sprachen, sattelte schließlich auf Betriebswirtschaftslehre um und stieg nahtlos bei Henkel ein. Danach ging es Schlag auf Schlag – sie arbeitete in Deutschland, Mexiko, Guatemala, Schweden und Spanien. Überall blieb sie nur für begrenzte Zeit, überall fand sie ihren Weg.
2018 ließ sie sich in Barcelona als Finanzdirektorin für Spanien und Portugal nieder. Ein Werdegang, der nichts für schwache Nerven ist. Hier war Durchsetzungsvermögen gefragt. „Ich musste jedes Mal ins kalte Wasser springen und vertrauen, dass ich schwimmen kann.“ Ihr Erfolg sei aber auch keine reine Eigenleistung, sondern der Unterstützung aus dem privaten Umfeld zu verdanken, das immer an ihrer Seite war.
Ein einziges Leitbild zieht sich durch beide Lebensläufe: So oft wie möglich Ja sagen, nichts zu lange kaputtdenken. „Frauen tendieren dazu, sich erstmal zu fragen, ob sie das überhaupt können und ob es nicht andere besser machen würden. Das haben Männer so nicht an sich, die sagen sofort Ja“, beantwortet Laiadhi die Kontroverse. Es scheint wie ein reflexartiges Zögern; gesellschaftlich auferlegt. Ist es Selbstbewusstsein oder schlicht Impulsivität, was Männer anders ticken lässt? Brauchen wir ein kleines großes Stück davon?
Charaktere wie dieser beider Frauen kommen nicht von ungefähr. Wie ein roter Faden zieht sich die Erwähnung von Müttern und deren Prägung durch Interviews dieser Art: Sánchez´ Mutter, die als junge Witwe zwei Kinder großzog und Laiadhis Mutter, die sowohl eine erfolgreiche Geschäftsfrau war als auch eine sechsköpfige Familie ernährte, zeigten ihren Kindern, dass es immer irgendwo einen Weg gibt. Auch wenn dieser nicht konventionell verläuft.
„Grenzen existieren in unserem Kopf“, erklärt Sánchez.
Nicht ungewöhnlich scheinen diese Antworten, wenn man beachtet, dass repräsentative Studien aus Deutschland 2024 ergaben, dass fast dreiviertel aller Frauen allein für die Erziehung und Sorgearbeit der Kinder innerhalb ihrer Ehe verantwortlich sind. Bei ledigen Frauen lag diese Zahl sogar bei über 85 Prozent aller Befragten.
Die Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben könnte gerade für Frauen in Führungspositionen schwierig zu gestalten sein. Für Sánchez ist das überhaupt nicht der Fall. „Das ist genauso schwierig wie für einen Mann“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen. Führung bedeute fast immer Verzicht in anderen Lebensbereichen, aber völlig unabhängig vom Geschlecht.
„Man kann nicht immer alles gleichzeitig im Leben haben, das gilt für jeden Menschen.“
Dem schliesst sich Laiadhi an: „Das Zeitmanagement war für mich als berufstätige Mutter immer eine Herausforderung.” Organisation ist jeden Tag gefragt, um allen Lebensbereichen gerecht werden zu wollen. Gleichzeitig soll die Familie nicht zu kurz kommen. Viele Aufgaben für eine einzige Person. Seit der Corona Zeit haben sich jedoch effiziente Hilfsmittel entwickelt, Laiadhi ist dankbar für die normalisierte Digitalisierung von Arbeitsprozessen und Meetings.
Wo stehen wir?
In Deutschland bleibt das Thema Gleichberechtigung größtenteils ein Lippenbekenntnis. In Spanien hingegen sieht das ganz anders aus: „Hier ist es normal, dass Männer Kinderwagen schieben. In Deutschland sieht man das viel seltener, das ist die deutsche Mentalität, die das verhindert“, kommentiert Sánchez. Während in Spanien vieles alltäglich ist, wirkt es in Deutschland oft ungewohnt, lange anstrengende Debatten über selbstverständliche Gleichberechtigung werden öffentlich geführt. Im gleichen Ton Laiadhi:
„Die ganze Autoindustrie ist noch sehr männerdominiert“.
Es hat sich schon viel getan in den letzten Jahren, wir haben aber noch einen langen Weg vor uns. Für Frauen sei es dort immer noch eine enorme Herausforderung, in eine Führungsposition zu gelangen. Statements müssen gemacht, die Stimme muss erhoben und Raum muss bewusst eingenommen werden. Diese Tipps geben beide Frauen mit auf den Weg.
Seit Jahrzehnten prägen tief verwurzelte kulturelle Muster unsere Gesellschaft: Mädchen bekommen Puppen geschenkt, während Jungs auf Traktoren gesetzt werden. Mädchen spielen mit ihren Schwestern „Supermarkt“, während Jungs im Wald Holzschwerter schnitzen und sich fast die Augen ausstechen. Diese veralteten Rollenzuschreibungen werden oft ohne böse Absicht weitergegeben. Vereinzelt, aber bedeutend durchbrechen, junge Mädchen unbewusst diese seit Jahrhunderten verfestigte gläserne Decke: Bei dem Vater mit auf dem Traktor fahren, mag unbedeutend und irrelevant wirken, ist aber für viele Minoritätsgruppen immer noch Wunschdenken. Ganz unbewusst wird ein kleines Mädchen damit sogar zur Vorreiterin einer utopischen Gesellschaftsordnung. Solche kleinen, aber feinen Ausnahmen in Erziehungsstilen sind nicht nur harmlos, sondern sie könnten der erste Schritt zu einem echten Konsens in einer Welt der Gleichberechtigung für Frauen sein.
Aber hier hört es nicht auf. Erwachsene Frauen müssen sich mit Begriffen wie „Powerfrauen“ und festgelegten Aktionstagen für Gleichberechtigung auseinandersetzen, um gleiche Chancen zu normalisieren – tief verankertes „Marking“. Dieses führt aber oft dazu, dass Frauen hyperfokussiert hervorgehoben werden, in Thematiken, in denen sie völlig gleichwertig zu Männern stehen sollten. Sie tragen keine normalen Anzugshosen, plötzlich sind das “Girlboss-Hosen”. Soll anerkennend klingen, tut das Gegenteil: Kreiert wird dadurch eine Gruppe, die sich von der als „normal“ betrachteten männlichen Norm unterscheidet. Keine Normalisierung.
Das erklärt zumindest, weshalb Begriffe wie „Powermänner“ uns im Alltag und auf Werbeplakaten nicht begegnen. Männer gelten bereits als die gesellschaftliche Norm. Ihre Erfolge und Eigenschaften haben es nicht nötig, als außergewöhnlich markiert zu werden, da sie sowieso als selbstverständlich angesehen sind. Ob gut gemeint oder nicht. Die Markier-Begriffe verfehlen das Ziel um Weiten.
Was bedeutet Erfolg wirklich?
Zum Thema Erfolg haben beide Frauen eine klare Meinung. Erfolg hat nicht nur eine Definition. Für manche Frauen ist es einfach der Arbeitslohn auf dem Konto, für andere die Reise nach Bali, für die nächsten eine Beförderung. Sánchez und Laiadhi sehen das anders. „Erfolg kann ganz klein sein“, erzählt Sánchez. Ihren größten Erfolgsmoment erlebte sie kürzlich, als ihre Tochter in einem Motivationsschreiben schrieb, dass sie alles der Unterstützung ihrer Eltern verdanke. Laiadhis Tochter widmete ihre Doktorarbeit schlicht “Meinen Eltern”. Diese Worte wiegen mehr als eine Zahl auf einem Konto oder ein Titel vor dem Namen.
Ebenfalls sehen beide Frauen Rückschläge als zentrale Wegweiser. „Alles hat seinen Zweck. Es bringt mich dorthin, wo ich hingehöre“, beschreibt Sánchez. Noch nie habe sie einen Job, den sie wirklich wollte, nicht bekommen.
„Nicht, weil ich es erwartet habe, sondern weil ich nie davon ausgegangen bin, dass ein Job mir zusteht. Mir kann niemand eine Position wegnehmen, die gar nicht mir gehört.“
Symbol oder Selbstverständlichkeit?
In einer Sache sind sie sich sehr einig: Der Weltfrauentag ist für sie weniger ein persönliches Anliegen, sondern vielmehr ein universelles Symbol für die fortwährende Notwendigkeit der Aufmerksamkeit rund um Gleichberechtigung, insbesondere in Ländern, in denen weniger privilegierte Frauen vor hohen Mauern stehen. Dieser Tag ist nicht dazu da, Frauen für ihre “Girlboss-Hosen” auf die Schultern zu klopfen, sondern er ist ein Mahnmal für das, was noch immer nicht erreicht ist. Wann wird Gleichberechtigung tatsächliche Realität?
Dennoch, aber vielleicht gerade deshalb betont Sánchez:
„Gleichberechtigung sollte kein Thema für nur einen Tag sein. Wir müssen sie täglich leben, anstatt sie auf einen Tag im Jahr zu reduzieren.“
Diese Vision könnte langfristig und verbreitet dazu führen, dass Hyperfixierungen wie „Powerfrauen“ überflüssig werden. Denn nur indem man etwas in den Ausnahmezustand hebt, wird es nicht gleichwertig.
Der Antrieb von Sánchez und Laiadhi ist unübersehbar. „In meiner Rente will ich nochmal studieren, vielleicht Archäologie, das fasziniert mich wahnsinnig. Ich will mehr schreiben für meine Zeitschrift, den „Taschenspiegel“ und meinen Klub “Hannah” weiter voranbringen“, beschreibt Laiadhi enthusiastisch ihre Pläne für die nahende Rente im kommenden Jahr. Auch Sánchez steckt voller Elan:
„Keine Ziele mehr zu haben, verbitte ich mir. Das passiert erst, wenn ich nicht mehr da bin“.
Zwei beeindruckende Frauen und zudem Teil des fedaEDU Teams, beschreiben unkonventionelle und erfolgreiche Wege nach oben. Sie beweisen, dass es nie zu spät ist, neue Leidenschaften zu entdecken und dass das Streben nach Zielen und Veränderung nicht nur ein Privileg der Jugend, sondern eine Lebenshaltung ist, die bis ins fortgeschrittene Alter getragen werden kann. Der Weltfrauentag ist dabei ein wichtiges Symbol für den kontinuierlichen Einsatz, den es weiterhin braucht, um Gleichberechtigung in jeder Lebensphase zu leben und mit anderen zu erleben.
Ein Artikel von Amrei Jahn
Frauen in Führungspositionen ebnen den Weg in eine gleichberechtigte Zukunft. Bei der fedaEDU – der Deutschen Business School in Barcelona – fördern wir diese Entwicklung durch duale Ausbildungsgänge in Kooperation mit führenden Ausbildungsunternehmen.